
– AUSZUG – Mit seiner Forderung, mehr Menschen sollten bis zum eigentlichen Renteneintrittsalter arbeiten, hat Kanzler Scholz eine breite Debatte losgetreten. Die FDP will das Eintrittsalter flexibel gestalten. Die Union signalisiert Gesprächsbereitschaft.
Seit längerem prophezeien Experten dem deutschen Rentensystem mehr oder weniger große finanzielle Engpässe. “Die Finanzierung unseres Rentensystems steht vor dem Zusammenbruch”, warnte Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger Ende Oktober. Generell steht das Rentensystem vor Veränderung. Spätestens, wenn die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen, verändert sich das Verhältnis von Einzahlern und Empfängern.
Aktienrente nach dem Vorbild Norwegens
In der Politik wird versucht gegenzusteuern. Das “Wie” ist allerdings höchst umstritten. Vor kurzem hat die Ampel bereits die so genannte Aktienrente auf den Weg gebracht. Als Vorbild gilt Norwegen, wo ein staatlicher Fonds Gewinne aus dem Kapitalmarkt in das Rentensystem steckt. Allerdings sehen Experten den deutschen Versuch skeptisch.
Der Chef des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft, Markus Jerger, sagte der Nachrichtenagentur dpa: “Unserem Rentensystem droht ab 2025 durch den Renteneintritt der Baby-Boomer-Generation der Finanzierungsnotstand. Bis 2040 sind es dann rechnerisch weniger als zwei Arbeitnehmer, die einen Rentner finanzieren. Auch die Aktienrente, die wir als zusätzliches Standbein der Altersvorsorge befürworten, kann die strukturellen Defizite nicht ausgleichen.”
Aber auch die Bundesregierung selbst sieht hohe Hürden. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hält für den geplanten Aufbau einer Aktienrente enorme Beträge für nötig. “Wir brauchen mittel- bis langfristig eine dreistellige Milliardensumme, damit die Erträge der Aktienanlage einen spürbaren Effekt auf die Stabilisierung der Rentenbeiträge und des Rentenniveaus haben können”, sagte Lindner dem “Tagesspiegel”.
Heikle Debatten um das Renteneintrittsalter
Andere Möglichkeiten, die Rente wieder robuster aufzustellen, sind rar. Der Elefant im Raum ist das Renteneintrittsalter. Populär sind Forderungen nach einer längeren Lebensarbeitszeit selbstverständlich nicht. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte jüngst einen Vorstoß gewagt und zumindest die Erfüllung des aktuellen Standards angemahnt. Künftig sollten mehr Menschen als bisher tatsächlich bis zum geltenden Renteneintrittsalter arbeiten, hatte Scholz vor wenigen Tagen gesagt.
Arbeitgeberpräsident Dulger reagierte hoch erfreut: “Der Bundeskanzler hat Recht: Es darf keinen Trend zur Frühverrentung geben.” Scholz solle dafür sorgen, “dass sein Arbeitsminister jetzt schnellstmöglich die milliardenschwere Subventionierung der Frühverrentung beendet”. Damit spielte er auf die abschlagsfreie Rente nach einer Versicherungszeit von 45 Jahren an.
Wann die abschlagsfreie Rente mit 63 Jahren möglich ist
Die damalige Koalition von Union und SPD hatte sie Mitte 2014 eingeführt. Alle vor 1953 Geborenen konnten ohne Abschläge mit 63 Jahren in Rente gehen. Bei Jüngeren verschiebt sich mit steigendem Renteneintrittsalter der Start der abschlagsfreien Rente. Bei der Einführung hatte die Regierung jährlich rund 200.000 Antragsteller für diese abschlagsfreie Rente prognostiziert. Mit jeweils rund 260.000 mehrere Jahre hintereinander waren es deutlich mehr.
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