Die Polizei soll an alle Informationen kommen, die sie benötigt – auch wenn sie verschlüsselt sind. Damit würde allerdings die E2E-Verschlüsselung abgeschafft.
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veröffentlicht am14. November 2020
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Trotz massiver Kritik wollen die Innenminister der EU-Mitgliedsstaaten an einer Schwächung der Verschlüsselung festhalten. Das geht aus einer gemeinsamen Erklärung der Minister nach einem Gespräch über die jüngsten Terroranschläge in Europa hervor.
Darin heißt es, die Polizei solle Zugang zu den Informationen haben, die sie für ihre Arbeit benötige. Das betreffe sowohl Verbindungsdaten (Vorratsdatenspeicherung) als auch verschlüsselte Inhaltsdaten. Beide Vorhaben stehen seit Jahren in der Kritik und haben massive Auswirkungen auf die Grundrechte der Menschen.
“Im Rat [muss] gemeinsam über die Frage der Datenverschlüsselung nachgedacht werden, damit digitale Beweise von den zuständigen Behörden rechtmäßig erhoben und genutzt werden können”, erklären die Minister. Dabei müsse jedoch “die Vertrauenswürdigkeit der Produkte und Dienstleistungen erhalten werden, die auf Verschlüsselungstechniken basieren.” Die Antwort auf die Frage, wie diese zwei nicht miteinander in Einklang zu bringenden Forderungen umgesetzt werden sollen, bleiben die Minister schuldig. Ähnliches hatte auch ein kürzlich veröffentlichter Resolutionsentwurf des EU-Ministerrates gefordert.
Messenger sollen das unlösbare Problem lösen
Die Bundesregierung hatte das Problem kurzerhand an die Hersteller der Messenger abgeschoben. Diese sollen Techniken entwickeln, mit denen Strafverfolgungsbehörden und Geheimdienste auf die E2E-verschlüsselten Inhalte zugreifen können, ohne die Verschlüsselung zu schwächen oder eine Hintertür einzubauen – dabei ist genau das die Voraussetzung für Ersteres.
Wie solche Zugänge aussehen könnten, hatte unlängst ein Papier der EU-Kommission analysiert. Die dort unterbreiteten Vorschläge hebeln die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung von Messengern wie Signal, Whatsapp oder Threema aus, bei welcher per Definition nur die beteiligten Personen auf die Inhalte zugreifen können. Würde einer der Vorschläge umgesetzt, käme dies einer Abschaffung der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung gleich.
Kritik aus dem Mittelstand
Die Forderung der Bundesregierung und des Ministerrates wurde heftig kritisiert. Mit dem Plan, die sichere Verschlüsselung abzuschaffen, riskiere Brüssel erhebliche Kollateralschäden, sagte Markus Jerger, Geschäftsführer des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft (BVMW). “Dem Missbrauch von Persönlichkeitsrechten und Betriebsgeheimnissen würde Tür und Tor geöffnet.” Gemeinsam mit dem europäischen Mittelstandsverband European Digital SME Alliance fordern sie den Ministerrat auf, von den Plänen Abstand zu nehmen. Auch Digitalpolitiker, Bürgerrechtsorganisationen und Journalisten kritisierten die Pläne scharf.